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Mit TANDEM der Depression und Angst bei COPD davonradeln?

Monika Tempel • Jan. 30, 2022

Einblicke für Betroffene in ein Studien-Projekt zur Behandlung von Depression und Angst bei COPD


TANDEM: Die wissenschaftlichen Grundlagen

 

Was ein Tandem ist, wissen vermutlich die meisten. Aber was hinter TANDEM steckt, ist wahrscheinlich nur aufmerksamen Beobachtern der Psychopneumologie-Szene bekannt.

 

TANDEM ist ein Akronym (ein Kurzwort, das aus den Anfangsbuchstaben oder Anfangssilben von Wörtern gebildet wird). Es steht für Tailored intervention for ANxiety and DEpression Management in COPD” – zu Deutsch: Maßgeschneiderte Intervention für das Management von Angst und Depression bei COPD.

 

Um diese TANDEM-Intervention und das damit verknüpfte britische Studien-Projekt dreht sich der folgende Beitrag.

 

Denn COPD-Patienten mit Angst und Depression können profitieren, wenn sie sich mit aktuellen Studien auseinandersetzen. Mit dem TANDEM-Projekt verfolgen britische Forscher den steinigen Pfad von der Studien-Anmeldung bis zur Umsetzung der Ergebnisse in die Praxis. Wesentliche Bestandteile bei diesem anspruchsvollen Unternehmen sind Ansätze aus dem Bereich der Psychopneumologie.



TANDEM: Die wissenschaftlichen Vorarbeiten

 

Im Team der TANDEM-Forschergruppe taucht der Name Karen Heslop Marshall auf. Dr. Heslop Marshall ist Fachkrankenschwester am Newcastle upon Tyne NHS Foundation Trust und arbeitet seit 1988 in der Pneumologie. Sie forscht schon lange zum Thema „Kognitive Verhaltenstherapie für COPD-Patienten mit Angst und Depression“.

 

In einem Leitartikel der Zeitschrift „Breathe“ vom Juni 2019 stellen sie und ihr Ko-Autor zwei wichtige Fragen und fassen ihre Erfahrungen zum Thema „Kognitive Verhaltenstherapie bei COPD“ zusammen.

 

Die Fragen lauten:

 

  • „Wie können wir psychologische Probleme bei COPD behandeln?“


  • „Warum benötigen Kliniker so lange, um dieses Problem anzugehen?“

 

Als Antwort auf die erste Frage verweisen die Autoren auf die mehrfach nachgewiesene Wirksamkeit von Kognitiver Verhaltenstherapie bei ängstlichen und depressiven COPD-Patienten.

 

Als Antwort auf die zweite Frage stellen sie drei Hürden vor, die Kliniker an der Umsetzung der Erkenntnisse hindern.

 

  • Hürde 1: Wahrscheinlich wird das Ausmaß der psychischen Problematik nicht erkannt.


  • Hürde 2: Es wird nicht akzeptiert, daß für Kliniker, die COPD-Patienten betreuen, das Thema psychische Erkrankungen zu ihrem Aufgabenbereich gehört.


  • Hürde 3: Der Zugang zu einer geeigneten Therapie ist erschwert oder unmöglich, denn qualifizierte Therapeuten sind kaum vorhanden.

 

Aus diesen Erfahrungen ziehen die Autoren folgende Schlüsse:

 

„Kliniker in der ersten Reihe sind sich oft bewusst, dass Patienten Symptome von Angst und Depression erleben. Schließlich würden wir alle zugeben, dass Atemnot ein sehr beängstigendes Symptom ist, das die meisten Patienten mit Atemwegserkrankungen erleben. Bislang wurde jedoch nicht berücksichtigt, dass die Bewältigung psychischer Belastung auch zu wichtigen körperlichen Ergebnissen führt, wie geringere Atemnot und weniger  Krankenhauseinweisungen.


Es gibt immer mehr Belege dafür, dass die Integration von psychischer und körperlicher Versorgung von Menschen mit langfristigen Erkrankungen, sowohl die körperliche als auch die psychische Gesundheit verbessern und die Kosten senken kann.


Die Frage, wie man CBT (Kognitive Verhaltenstherapie) in die Routineversorgung einbeziehen kann, wurde in einer praxisnahen Studie untersucht. Meine Kollegen und ich haben gezeigt, dass es machbar ist, Patienten eine CBT durch pneumologische Fachkrankenschwestern anzubieten. Dieses Pflegemodell bringt erhebliche Vorteile für die Patienten und Kosteneinsparungen für die Gesundheitsdienste.


Wie Yohannes (Yohannes AM – Experte für das Thema „COPD und Psyche“ – Anmerkung von Monika Tempel) vorgeschlagen hat, kann die CBT ein wichtiger Schritt zur Verbesserung der Versorgung von COPD-Patienten sein. Die Herausforderung für Kliniker, Manager und Auftraggeber besteht darin, dieses Modell in die klinische Routineversorgung zu integrieren und einen klaren Weg zu finden, um komplexere psychologische Probleme an Teams für psychische Gesundheit weiterzuleiten.“

 

[Quelle: Heslop-Marshall, K., & Burns, G. (2019). The role of cognitive behavioural therapy in living well with COPD. Breathe, 15(2), 95-97. – Übertragung ins Deutsche mit Unterstützung von DeepL.com durch Monika Tempel]

 

Diese Schlußfolgerung klingt wie eine Aufforderung, der nun die TANDEM-Studie Folge leistet.



TANDEM: Die Studien-Website

 

Die TANDEM-Forschergruppe läßt alle Interessierten, die der englischen Sprache mächtig sind (oder die eine Übersetzungs-Software nutzen können), seit 2017 am Studienprozeß teilnehmen.

 

Auf der Website „tandem – working together against COPD” kannst Du den bisherigen Verlauf und den aktuellen Stand des Studienfortschritts verfolgen.

 

Hier erfährst Du beispielsweise auch, daß die Rekrutierung der Studien-Teilnehmer abgeschlossen ist. Die geplante Teilnehmerzahl von n = 430 wurde fast punktgenau erreicht: Bis März 2020 wurden 428 Teilnehmer rekrutiert.

 

Ebenfalls auf der Website findest Du eine detaillierte Vorstellung der Studie in Einfacher Sprache. (Daraus sind die folgenden Zitate entnommen.)


Welche Ziele verfolgt die Studie?

 

„Die Fragen, die wir mit der neuen Intervention beantworten wollen, sind:


  • Kann sie Ängste und Depressionen verringern?
  • Ermutigt sie Betroffene, einen PR-Kurs zu beginnen (und zu beenden)?
  • Führt sie zu einer Verringerung der Atemnot, einer Steigerung der körperlichen Leistungsfähigkeit und des Wohlbefindens sowie zu einer Verringerung der Krankenhaustage?
  • Wie viel würde es den NHS (britischen Nationalen Gesundheits-Dienst) kosten?“

 

Wie will das Projekt diese Fragestellungen konkret untersuchen?

 

„Wir schlagen vor, die psychologische (bewährte) CBT mit der praktischen (bewährten) PR zu verbinden. Unsere neue Intervention umfasst bis zu 8 Hausbesuche durch eine geschulte pneumologischen Fachkrankenschwester (oder einen Physiotherapeuten) bei COPD-Patienten mit leichten/mittleren Ängsten oder Depressionen. Danach werden sie dabei unterstützt, ein PR-Angebot ihres örtlichen Dienstes anzunehmen, wobei die Krankenschwester sie weiterhin durch Telefonanrufe unterstützt. Die Intervention wird auf die Bedürfnisse der Patienten zugeschnitten sein. Wir werden die Krankenschwestern darin schulen, die Grundsätze der CBT zu vermitteln, und sie werden auch in der Lage sein, die Patienten bei den vielen praktischen Aspekten des Lebens mit COPD zu unterstützen. Die Intervention wird in enger Abstimmung mit Gruppen von COPD-Patienten und ihren Betreuern entwickelt und verfeinert.“

 

[Quelle: Website von „tandem – working together against COPD” – Übertragung mit Unterstützung von DeepL.com durch Monika Tempel]



TANDEM: Das Studien-Protokoll

 

Die TANDEM-Studie wurde im März 2017 im Studienregister angemeldet.

 

Das veröffentlichte Studien-Protokoll beschreibt die Details zu Methode und Intervention.

 

Für die TANDEM-Intervention sind Karen Heslop Marshall und Liz Steed federführend verantwortlich. Beide blicken auf eine langjährige Forschungstätigkeit zum Thema „Kognitive Verhaltenstherapie bei COPD-Patienten mit Angst und Depression“ zurück.

 

Die TANDEM-Intervention läßt sich kurz so zusammenfassen:

 

  • Die TANDEM-Intervention ist eine maßgeschneiderte, manualisierte Intervention (d. h. eine Intervention mit formalisierten einzelnen Behandlungsschritten, üblicherweise vorgelegt in einem Handbuch). Die TANDEM-Intervention nutzt die Grundsätze der Kognitiven Verhaltenstherapie (CBT), die für die Behandlung von Angst und Depression bei körperlichen Erkrankungen einschließlich COPD nachweislich wirksam ist, und die Theorie der Selbstregulation.


  • Die Sitzungen der TANDEM-Intervention werden mit schriftlichen und DVD-basierten Materialien verstärkt (TANDEM-spezifische Handreichungen, eine DVD, Broschüren zum Selbstmanagement nach dem SPACE-Handbuch – SPACE for COPD).


  • Während der gesamten Durchführung der TANDEM-Intervention liegt der Schwerpunkt auf den Zusammenhängen zwischen Symptomen (insbesondere Atemnot), Gedanken, Gefühlen und Verhaltensweisen.

 

[Quelle: Sohanpal, R., Pinnock, H., Steed, L., Marshall, K. H., Chan, C., Kelly, M., ... & Taylor, S. J. (2020). Tailored, psychological intervention for anxiety or depression in people with chronic obstructive pulmonary disease (COPD), TANDEM (Tailored intervention for ANxiety and DEpression Management in COPD): protocol for a randomised controlled trial. Trials, 21(1), 1-12. – Übertragung mit Unterstützung von DeepL.com durch Monika Tempel]

 


TANDEM: Die Entwicklung der Intervention

 

Die britischen Leitlinien schreiben eine gründliche und umfassende Beschreibung der Entwicklung von Gesundheits-Interventionen vor. Dieses Vorgehen soll die Bewertung und das Verständnis der Veränderungsprozesse erleichtern. Die TANDEM-Forschungsgruppe berücksichtigt zusätzlich die Schwierigkeiten, die häufig bei der Umsetzung der Gesundheits-Interventionen in die klinische Praxis auftauchen.

 

Für diese Implementierung in der Praxis schlagen die Forscher deshalb einen fünf-stufigen, sich wiederholenden Prozeß vor.

 

Das logische Modell der TANDEM-Intervention

 

Im Rahmen dieses Fünf-Stufen-Plans stellen sie ein logisches Modell für die TANDEM-Intervention vor.

 

Die Grundannahme ist, daß die Art und Weise, wie eine Person über ihre COPD denkt, ihr Verhalten und ihr körperliches und psychisches Befinden beeinflußt.

 

Oder anders ausgedrückt: Die Kognitionen (einschließlich Krankheits- und Behandlungsüberzeugungen) beeinflußen, wie ein COPD-Patient sich verhält (einschließlich Selbstmanagement) und wie er sich fühlt (sowohl körperliche Symptome, als auch Emotionen).

 

Diese Faktoren zeigen Wechselwirkungen, so daß die Kognitionen und Verhaltensweisen des COPD-Patienten Depression und Angst sowohl verringern als auch verschlimmern können.

 

Werden (z. B. durch die TANDEM-Intervention) Veränderungen auf kognitiver, verhaltensbezogener oder symptombezogener Ebene anstrebt, wird dies die emotionalen Ergebnisse beeinflussen.

 

Diese Verbesserung der emotionalen Ergebnisse und des Selbstmanagements wird dann die Teilnahme an der pulmonalen Rehabilitation wahrscheinlicher machen, die sich ihrerseits nachweislich positiv auswirkt, sowohl auf körperliche, als auch auf psychische Ergebnisse. 

 

Die CBT-Elemente der TANDEM-Intervention

 

Im Detail umfaßt die TANDEM-Intervention folgende Elemente mit einem kognitiv-behavioralen Ansatz.

 

  • „Die individuelle Bedeutung der COPD verstehen:

        Krankheitsüberzeugungen und die COPD in ihrem spezifischen Kontext erkennen und mit ihnen arbeiten


  • Atemtechniken:

        Praktische und psychologische Fähigkeiten und Fertigkeiten für das Atemnot-Management vermitteln


  • Bewältigung (Coping) von COPD:

        Problemorientierte Bewältigung berücksichtigen

        Ein besseres Gefühl für die Kontrolle ermöglichen


  • Psychoedukation (systematische und strukturierte Wissensvermittlung über die Krankheit, v. a. die psychosomatischen und somatopsychischen Zusammenhänge):

        Die Interaktion von Gedanken, Symptomen, Verhalten und Gefühlen verstehen lernen


  • Verhaltensänderung:

        Vermeidungsverhalten reduzieren

        Angenehme Aktivitäten durch Kontrolle und Zielsetzung steigern

 

  • Gedanken-Management (im Sinne der Kognitiven Verhaltenstherapie):

        Mit wenig hilfreichen Gedanken umgehen (z. B. mit Katastrophen-Denken und „Gedankenlesen“)


  • Maßgeschneiderte Selbst-Management-Techniken erarbeiten


  • Problemlöse-Training absolvieren“

 

[Quelle: Steed, L., Heslop-Marshall, K., Sohanpal, R., Saqi-Waseem, S., Kelly, M., Pinnock, H., & Taylor, S. (2021). Developing a complex intervention whilst considering implementation: the TANDEM (Tailored intervention for ANxiety and DEpression Management) intervention for patients with chronic obstructive pulmonary disease (COPD). Trials, 22(1), 1-14. – Übertragung mit Unterstützung von DeepL.com durch Monika Tempel]

 

Wenn Du bis hierhin durchgehalten hast, kannst Du erahnen, was die TANDEM-Forschergruppe bereits geleistet hat, um einen Ansatz der Psychopneumologie (die Kognitive Verhaltenstherapie) für COPD-Patienten mit Angst und Depression nutzbar zu machen.

 

Wie es mit der TANDEM-Studie weitergeht, erfährst Du (hoffentlich schon bald!) in einem neuen Blog-Beitrag.

 


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Beitragschronik

 

  • Erstveröffentlichung: 30.1.2022

 

 

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