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COPD und Depression: Relevante Empfehlungen im Alltag umsetzen

Monika Tempel • Jan. 13, 2022

Verläßliche und verständliche Gesundheits-Informationen zum Thema „COPD und Depression“ bringen nur dann einen Nutzen, wenn persönlich relevante Empfehlungen im Alltag umgesetzt werden.



Relevante Empfehlungen umsetzen: eine besondere Herausforderung

 

Die Suche nach Gesundheits-Informationen zum Thema „COPD und Depression“ hat verläßliche und verständliche Ergebnisse als Grundlage für eine individuelle Entscheidung gebracht. Jetzt könnte es eigentlich losgehen!

 

Voraussetzung für die Umsetzung der relevanten Empfehlungen ist allerdings, daß die bisherige Informationssuche konkrete Handlungsanweisungen ergeben hat. Das ist eher die Ausnahme (z. B. bei den Hinweisen zur Depressionsbehandlung auf der Website der Stiftung Gesundheitswissen). Meist finden sich in den Dokumenten nur allgemein gehaltene Hinweise auf mögliche Behandlungsansätze.

 

Wie geht es also ab hier weiter?

 

Für den interessierten COPD-Patienten mit Depression startet an dieser Stelle die zweite Runde der Informationssuche. Als Leitfaden dienen die Ergebnisse aus den Beiträgen zur Suche nach verläßlichen und nach verständlichen Gesundheits-Informationen.



Empfehlung 1: Psychotherapie (vor allem Kognitive Verhaltenstherapie)

 

Im Beitrag „COPD und Depression: Verläßliche Informationen und Erkenntnisse für Betroffene“ kannst Du es nachlesen: Selbst die sehr zurückhaltende Schlußfolgerung im Cochrane Review weist auf den möglichen Nutzen von Psychotherapie (Kognitiver Verhaltenstherapie – CBT) für depressive COPD-Patienten hin.

 

Es gibt also gute Argumente dafür, Dich auf die Suche nach einem (Verhaltens)Therapeuten zu begeben, wenn Du als COPD-Patient unter langdauernden depressiven Beschwerden leidest, die nicht durch Selbsthilfe-Methoden zu lindern sind.

 

Doch mit dem Entschluß zu diesem Schritt beginnt häufig eine abenteuerliche und nicht selten erfolglose Odyssee. Denn gute (das heißt in diesem Fall möglichst auch psychosomatisch oder gar psychopneumologisch erfahrene) Therapeuten sind rar und meist auf lange Sicht ausgebucht.

 

In Zeiten einer Pandemie kommen für mobilitätseingeschränkte depressive COPD-Patienten noch zusätzliche, fast unüberwindbare Hürden für eine ambulante Psychotherapie hinzu. Schamgefühle, Angst vor Stigmatisierung … weitere Gründe, weshalb es lohnt, einen Blick auf Online-Therapien zu werfen.

 

Im Beitrag „ COPD und Depression: Persönliche Gültigkeit von Informationen bewerten“ wurde bereits auf das Verzeichnis der Digitalen Gesundheits-Anwendungen hingewiesen.

 

Dort findest Du alle digitalen Gesundheitsanwendungen (z.B. Apps oder browserbasierte Anwendungen), die


  • als Medizinprodukt mit niedrigem Risiko CE-zertifiziert sind (d. h. zertifiziert gemäß der EU-Konformitätserklärung),
  • zusätzlich vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) als Digitale Gesundheits-Anwendung (DiGA) geprüft wurden,
  • von Deinem Arzt verschrieben werden können,
  • bei entsprechender Diagnose direkt von Deiner gesetzlichen Krankenkasse erstattet werden können.

 

Für den Suchbegriff „Depression“ liefert das DiGA-Verzeichnis fünf Ergebnisse. Drei dieser Ergebnisse sind auf den ersten Blick relevant für das Thema „COPD und Depression“.



Deprexis

 

Deprexis (Depression) ist eine internetbasierte Therapie zur Behandlung depressiver Symptome im Erwachsenenalter. Sie ist dauerhaft in das DiGA-Verzeichnis aufgenommen und als unbegleitetes Angebot ohne die Unterstützung eines Therapeuten nutzbar.

 

Der Schwerpunkt liegt auf der kognitiven Verhaltenstherapie. Ergänzend werden Methoden der Positiven Psychologie, der Akzeptanz- und Commitment-Therapie (ACT), der Schematherapie und der Problemlösetherapie eingesetzt.

 

Die Module beinhalten neben psychoedukativen Elementen auch praktische Übungen. Zwischen den Modulen sind Hausaufgaben zu bearbeiten.

 

Wahlweise kann Deprexis mit computergenerierten individualisierten SMS-Nachrichten ergänzt werden. Sie erinnern die Patienten an Techniken aus dem Programm und ermutigen zu ihrer Anwendung in der Alltagssituation.

 



Novego: Depressionen bewältigen

 

Das Novego-Depressionsprogramm ist ein psychologisches Online-Unterstützungsangebot und basiert auf aktuellen therapeutischen Erkenntnissen. Es ist vorläufig in das DiGA-Verzeichnis aufgenommen.

 

Inhalt und Aufbau des Programms orientiert sich an den Nationalen Versorgungs-Leitlinien. Novego-Depression basiert auf bewährten Methoden der Kognitiven Verhaltenstherapie, ergänzt um Elemente aus der Systemischen Therapie und aus der Achtsamkeitstherapie

 

Als Besonderheit verspricht das Novego-Depressionsprogramm, daß auch die psychischen Auswirkungen körperlicher Grunderkrankungen einbezogen werden. (Ausdrücklich erwähnt werden in diesem Zusammenhang chronische Herz- und Rückenerkrankungen, leider keine chronischen Lungenerkrankungen!)

 

Wahlweise können sich die Nutzer einmal wöchentlich mit Fragen an einen Therapeuten wenden und erhalten eine individuelle Rückmeldung.

 



Selfapy: Online-Kurs bei Depression

 

Der Selfapy Online-Kurs bei Depression umfaßt zwölf Module und kann zur fachgerechten Wartezeitüberbrückung, zur Begleitung während einer Psychotherapie und zur Vorbeugung von Rückfällen eingesetzt werden. Selfapy-Depression wurde vorläufig in das DiGA-Verzeichnis aufgenommen. Die Wirksamkeit wurde von der Charité Universitätsmedizin Berlin klinisch geprüft.

 

Die zwölf Module des Online-Kurses enthalten Methoden aus der Kognitiven Verhaltenstherapie, der Positiven Psychologie, nutzen Übungen aus Problemlösetraining und Achtsamkeitstraining und beziehen auch psychosoziale Aspekte mit ein.

 

Um die Sicherheit der Nutzer zu gewährleisten, steht während des Programms ein persönlicher Therapeut bei Bedarf zur Verfügung.

 



Diese drei Online-Angebote sind verschreibungspflichtig. Krankenkassen-Mitglieder müssen keine Zuzahlung leisten.

 

Die beiden folgenden Digitalen Gesundheits-Anwendungen unterscheiden sich im Hinblick auf Verfügbarkeit und Zugangsweg.



moodgym

 

moodgym ist ein in Australien entwickeltes und wissenschaftlich geprüftes interaktives Online-Angebot. Die Anmeldung und Nutzung des Programms ist weltweit kostenfrei und bietet damit einen sehr niedrigschwelligen Zugang für Betroffene: Computer hochfahren, Website von „moodgym“ aufrufen, als Benutzer registrieren (anonym ohne Klarname und E-Mail-Adresse, nur mit Nickname und Paßwort! ), Online-Programm starten …

 

moodgym basiert auf den Methoden der Kognitiven Verhaltenstherapie und unterstützt die Nutzer bei der Prävention und Bewältigung von depressiven Symptomen. Es besteht aus fünf interaktiven und mit Übungen angereicherten Modulen. Zwischen den Einheiten sollen Hausaufgaben bearbeitet werden.

 

Das Online-Angebot ist unbegleitet ohne Unterstützung eines Therapeuten nutzbar.

 



iFightDepression

 

Das iFightDepression® Tool ist ein internetbasiertes, begleitetes Selbstmanagement-Programm, das Menschen mit leichten Depressionsformen helfen soll, mit den Symptomen umzugehen.

 

Das Programm beruht auf den Prinzipien der Kognitiven Verhaltenstherapie und kann im Rahmen einer regulären Behandlung oder beim Warten auf einen Therapieplatz als ergänzender Behandlungsbaustein unter Begleitung eines Arztes oder Therapeuten eingesetzt werden.

 

Damit sind bereits die Besonderheiten dieses Online-Angebotes erwähnt: Wer als Arzt oder Psychotherapeut das iFightDepression-Tool im Rahmen seiner täglichen Arbeit nutzen möchte, kann kostenfrei am iFightDepression-Online-Training teilnehmen. Dabei erfahren Behandler, wie sie das Tool in ihre tägliche Arbeit einbinden und ihren Patienten zur Verfügung stellen können.

 

Nach erfolgreichem Abschluss des Online-Trainings erhalten Behandler ein Zertifikat sowie einen persönlichen Programmzugang. Sie können ihre Patienten dann zur kostenfreien Nutzung des Programms einladen und sie bei der Absolvierung des Programms begleiten und unterstützen.

 



Empfehlung 2: Streß-Management

 

Streß gilt als ein Hauptrisikofaktor für die Entwicklung einer Depression. COPD-Patienten haben in der Regel ein hohes Maß an Streß. Um einer COPD und Depression vorzubeugen oder um beginnende depressiven Beschwerden zu mildern, eignen sich bewährte Methoden des Streß-Managements.

 

Für diesen Ansatz gibt es inzwischen eine Fülle von Digitalen Gesundheits-Anwendungen. Dauerhaft aufgenommen ins DiGA-Verzeichnis ist bisher nur ein diesbezügliches Online-Angebot.



HelloBetter Streß

 

Die Webseite dieses Kurses ist sehr patientenfreundlich gestaltet und klärt verständlich und umfassend über alle Fragen und Fakten im Zusammenhang mit dem Online-Angebot auf. Wenn Du als COPD-Patient Dein allgemeines Streß-Management verbessern möchtest, verschaffst Du Dir am besten selbst einen Eindruck …

 



Empfehlung 3: Entspannungs-verfahren

 

Anerkannte Entspannungsverfahren (wie beispielsweise das Autogene Training, die Progressive Muskelrelaxation nach Jacobsen, Biofeedback oder Phantasiereisen) fördern die Fähigkeiten zur Spannungsmodulation und -regulation. Sie arbeiten zumeist durch bewußte Lenkung von Wahrnehmungen und Steuerung von gewünschten Körperreaktionen. Dadurch sollen Selbstkontrolle, Selbstwirksamkeit und Selbstwertgefühl gefördert werden.

 

Das Autogene Training sollte nur unter persönlicher Anleitung eines Entspannungstherapeuten erlernt und geübt werden. Für das Biofeedback werden spezielle Übungsinstrumente benötigt. Die übrigen Verfahren können prinzipiell auch unbegleitet und ohne Hilfsmittel angewendet werden.

 

Die unkomplizierten, aber wirkungsvollen Entspannungsverfahren sind ein dankbares Feld für Digitale Gesundheits-Anwendungen. Dementsprechend gibt es eine Vielzahl von Programmen und Apps zur Entspannung, unter anderem auch von den bereits bei den Depressions-Programmen erwähnten Anbietern „Novego“ und „Selfapy“.

 

„Selfapy“ bietet das Online-Programm „Stress und Achtsamkeit“ als sogenannten Partnerkurs an. In einer Liste kannst Du nachschauen, ob Deine Krankenkasse oder Dein Arbeitgeber die Kosten des Kurses übernimmt.

 

Das Online-Programm „Novego Relax“ ist nach §20 SGB V als Präventionsprogramm zertifiziert. Du kannst Dir also einen großen Teil der Kosten  für dieses Programm von Deiner Krankenkasse erstatten lassen.

 


 

Falls Du zunächst nur mal unverbindlich eine Entspannungsmethode ausprobieren möchtest, geht das sehr unkompliziert mit der Progressiven Muskelentspannung. Sie wird beispielsweise auf der Website von Mediclin zum kostenfreien Herunterladen und eigenständigen Üben angeboten.

 

Es stehen drei MP3-Dateien zur Verfügung. So kannst Du Dich von der Langform der Entspannung (für Anfänger) über die Kurzform der Entspannung (für Fortgeschrittene) bis zur Kurzentspannung (für Meister) vorarbeiten.

 

 

Auch für angeleitete Phantasiereisen wirst Du mit Suchbegriffen wie „Imagination Download“ oder „Achtsamkeitsübungen Download““ im weltweiten Netz rasch fündig.

 

Für COPD-Patienten besonders empfehlenswert ist ein imaginierter „Strandspaziergang“. Einen Anleitungstext für den „Strandspaziergang“, den ich aus mehreren Hypnose-Anleitungen speziell für Patienten mit Lungenerkrankungen zusammengestellt habe, kannst Du unter der Rubrik „Service“ hier auf der Website Psychopneumologie.de kostenfrei zum Ausdrucken herunterladen.

 



Empfehlung 4: Körperliche Aktivität (Lungensport)

 

Zahlreiche Studienergebnisse belegen, daß regelmäßige körperliche Aktivität einen positiven Effekt auf das psychische Befinden von COPD-Patienten hat. Depressive Symptome werden nachweislich gemindert.

 

Nicht nur die verbesserte körperliche Leistungsfähigkeit, sondern auch das gesteigerte psychische Wohlbefinden sind also absolut überzeugende Gründe für Lungensport, besonders für COPD-Patienten mit Depression.

 

Leider bremst nicht nur die Pandemie so manchen depressiven COPD-Patienten aus: Der krankheitsbedingte Antriebsmangel, die eingeschränkte Mobilität, die Rückzugsneigung – das alles erschwert das regelmäßige Training in einer Lungen-Sport-Gruppe. Auch hier kannst Du von digitalen Alternativen profitieren, z. B. durch Heimtraining anhand der Videos im YouTube-Kanal der AG Lungensport.

 



Empfehlung 5: Disease-Management-Programm (DMP)

 

Disease-Management-Programme (DMP) sind strukturierte Behandlungsprogramme für chronisch kranke Menschen. Patienten mit bestimmten chronischen Krankheiten (wie COPD) können sich bei ihrer Krankenkasse in ein solches Behandlungsprogramm einschreiben und die Schulungseinheiten meist in der Praxis ihres Lungenfacharztes absolvieren. Damit sind sie auf dem aktuellen medizinischen Forschungsstand mit einem evidenzbasierten Angebot versorgt, das auch nachweislich das psychische Befinden verbessert.

 

Der Selbstmanagement-Ansatz wird inzwischen bereits von einigen Digitalen Gesundheits-Anwendungen genutzt. Zwei Vertreter dieser sogenannten PneumoDigitalApps (beide pharmagesponsert) sind mittlerweile im Einsatz:



Kaia COPD (Chiesi)

 

Diese App vermittelt nicht nur Selbstmanagement-Kompetenz, sondern auch die zentralen Bestandteile der Pneumologischen Rehabilitation (Bewegungs-Programm, Atem- und Entspannungsübungen).

 



TheraKey (Berlin Chemie)

 

Das TheraKey-Programm stellt Nutzern individualisierbare Schulungspakete mit abschließendem Quiz zur Verfügung gestellt. Das Update wendet sich ausdrücklich auch an Angehörige.

 


 

Das waren jetzt eine Menge bewährte Angebote und Möglichkeiten, wie Du als depressiver COPD-Patient evidenzbasierte Empfehlungen konkret in Deinem persönlichen Lebensumfeld und in Deinem Alltag umsetzen kannst. Sie warten nur auf Deinen ersten Schritt!



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Erstveröffentlichung: 13.1.2022



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