Weaning ist das englische Wort für „Entwöhnung“ (von to wean = abstillen). In der Medizin bezeichnet dieser Begriff den Prozeß, mit dem invasiv beatmete Patienten von der maschinellen Atemunterstützung (durch ein Beatmungsgerät) befreit werden. Je nach Ursache und Dauer der Beatmung oder aufgrund von Begleiterkrankungen kann das Weaning unterschiedlich schwierig sein.
Weaning wird in drei Gruppen bzw. Kategorien eingeteilt:
Spezialisierten Weaning-Teams gelingt es in vielen Fällen, auch solche Patienten von der Beatmung entwöhnen, die in der Regelversorgung als nicht entwöhnbar gelten.
In Weaning-Zentren werden meist Patienten der Gruppe 3 (Kategorie: Prolongiertes Weaning) behandelt. Für diese Patientengruppe präsentiert die aktuelle Leitlinie „Prolongiertes Weaning“ eine Unterteilung in mehrere Untergruppen.
Untergruppen des prolongierten Weanings nach Definition der Leitlinie:
Diese ausführliche Systematik macht deutlich, daß Weaning eine hochkomplexe interprofessionelle Aufgabe darstellt, die viele Berührungspunkte mit Nicht-invasiver Beatmung und Langzeit-Heimbeatmung hat.
Es gibt verschiedene Entwöhnungs-Strategien, beispielsweise „Assistierte Spontanatmung“ oder den kontrollierten Wechsel zwischen Beatmung und Spontanatmung.
Bei der „Assistierten Spontanatmung“ unterstützt das Beatmungsgerät den spontanen Atemzug des Patienten. Diese Unterstützung wird langsam verringert. Dadurch muß die Eigenatmung zunehmend mehr arbeiten, wodurch die Atemmuskulatur nach und nach kräftiger und einsatzfähiger wird, bis sie schließlich eine dauerhafte Spontanatmung gewährleistet.
Beim kontrollierten Wechsel werden die anfänglich kurzen Spontanatemphasen (zwischen den Entlastungsphasen durch Beatmung) nach und nach verlängert. Schließlich kann auch bei diesem Vorgehen die gestärkte Atemmuskulatur wieder dauerhaft die Eigenatmung übernehmen.
Voraussetzung für beide Vorgehensweisen ist das Vorhandensein einer Spontanatmung.
Außerdem zählen zu den Startbedingungen:
Eine angemessene mentale Funktion liegt vor, wenn der Patient nicht sediert ist oder unter Sedierung einen RASS-Wert von 0/-1 aufweist. (RASS 0 bedeutet: aufmerksam und ruhig; RASS -1 bedeutet: schläfrig, d. h. nicht ganz aufmerksam, aber länger als 10 Sekunden erweckbar, mit Blickkontakt, auf Ansprache).
Nicht angemessen für den Start des Weanings sind RASS-Werte, die entweder eine tiefere Sedierung (RASS -2 bis -5) bzw. Unruhe, Agitation oder Aggressivität (RASS +1 bis +4) anzeigen.
Weaning findet im Grunde nach jeder Operation in Vollnarkose im Aufwachraum oder auf der Überwachungsstation statt und gelingt in den allermeisten Fällen komplikationslos.
Für schwierige Fälle gibt es spezielle Weaning-Zentren. Dabei handelt es sich um Behandlungseinheiten, die sich auf die Beatmungsentwöhnung spezialisiert haben. In ihnen arbeiten Spezialisten aus unterschiedlichen Fachrichtungen eng zusammen, um für jeden Patienten die individuell optimale Weaning-Strategie zu finden und ihn möglichst schonend und zügig von der Beatmung zu befreien.
Einen Überblick über das deutschlandweite Netz der Weaning-Zentren bietet die folgende Website.
Zum interdisziplinären und interprofessionellen Weaning-Team gehören üblicherweise ärztliche und nicht-ärztliche Fachkräfte aus folgenden Bereichen:
Nicht nur der Körper, auch die Psyche von Weaning-Patienten benötigt häufig fachkundige Unterstützung.
Die Beatmungssituation ist per se beängstigend und belastend: Aus dem Alltag gerissen, getrennt von ihren Liebsten, um ihr Leben kämpfend, zeitweise desorientiert in einer ungewohnten, lauten Umgebung, ans Bett „gefesselt“ durch Schläuche und Kabel, angewiesen auf fremde Hilfe und dabei nicht sprechfähig.
Hinzu kommt häufig das Gefühl, nicht atmen zu können, nicht genug Luft zu bekommen oder gar zu ersticken. Das kann zu (Todes)Angst führen, vor allem bei Patienten mit chronischen Lungen-Erkrankungen. So können beispielweise COPD-Patienten, die im Krankheitsverlauf bereits heftige Atemnot-Attacken erlebt haben, die Weaning-Situation als Panik-Trigger erleben. Die durch Panik ausgelöste Streßreaktion des Körpers wirkt sich ihrerseits auf die Atmung aus. Dadurch entsteht ein Teufelskreis aus reduzierter Atemfähigkeit – Angst – Verschlechterung der Atemfähigkeit – wachsende Panik… Um die Ängste der Betroffenen zu mildern, sind auf Seiten der Behandler Kompetenz, Vermittlung von Sicherheit, Ruhe und Einfühlungsvermögen gefragt.
Das gilt auch für die Begleitung von Angehörigen. Wie die Weaning-Patienten selbst, so leiden auch viele Angehörige unter emotionalen Problemen: Während des Weaning-Prozesses vor allem unter Zukunftsängsten; nach den langen stationären Aufenthalten unter Angststörungen, depressiven Verstimmungen oder Anpassungsproblemen.
Psychische Erkrankungen verlängern nachweislich den Weaning-Prozeß und gehen sogar mit einer höheren Sterblichkeit einher. Depressionen und Anpassungsstörungen beeinflussen zudem die Krankheitsverarbeitung (Coping). Sie reduzieren Antrieb, Hoffnung, Durchhaltewillen und Selbstwirksamkeit und beeinträchtigen die Therapietreue (Adhärenz).
Bei Patienten mit Weaning-Problemen kann sich zusätzliche Angst vor der Spontanatmung (im Sinne einer Phobie) entwickeln. Diese Angststörung tritt häufig im Zusammenhang mit einer bereits vor dem Weaning-Prozeß eingeschränkten Lungenfunktion (z. B. bei fortgeschrittener COPD) oder durch eine bereits vorbestehende Panikstörung auf.
Durch psychopneumologische Interventionen können die emotionalen Probleme im Weaning-Prozeß günstig beeinflußt werden. Dazu bieten sich laut Studien folgende Interventionen an:
Besonderes Augenmerk verdient der nachweislich effektive Einsatz von Musik-Interventionen und von Hypnotischen Suggestionen. Beide Verfahren können möglicherweise auch durch geschulte Laien wirkungsvoll im Weaning eingesetzt werden (z. B. durch sogenannte ICU-Doulas).
Weaning und Beatmungsmedizin sind wichtige Einsatzfelder der Psychopneumologie, da Weaning- und Beatmungs-Patienten häufig mit ausgeprägten psychischen Problemen zu kämpfen haben.
Beim Thema Weaning zeigt sich zum einen die Notwendigkeit der interdisziplinären und interprofessionellen Zusammenarbeit.
Zum anderen zeigen sich die zahlreiche Berührungspunkte mit den Themen „Nicht-invasive Beatmung“ und „Langzeit-Heimbeatmung“. Auch diese Arbeitsfelder benötigen psychopneumologische Expertise und psychopneumologisches Engagement.
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