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Frei atmen, heilsam singen: Interview mit der Logopädin und Singleiterin Elena Deppe (Teil 2)

Monika Tempel • Apr. 26, 2022

Bewährte Interventionen zum Atmen bei Streß und vieles mehr aus dem Methodenkoffer einer „Trainerin für gesundes Atmen und Lebensfreude“.


Hier geht es weiter mit dem Interview. Zunächst wieder ein herzliches Dankeschön, liebe Elena Deppe, für die Bereitschaft, als „Trainerin für gesundes Atmen und Lebensfreude“ auf weitere Fragen zum Thema „Singen und Lungen-Gesundheit“ einzugehen.

 


Impuls:


In Ihrem Blog-Beitrag zum „Atmen bei Stress“ finden sich Atem-Übungen, die Patienten mit chronischen Lungenerkrankungen auch in den Lungensport-Gruppen kennenlernen. Welche dieser Übungen ist nach Ihrer Einschätzung die wirkungsvollste?


Elena Deppe:


Ich liebe ja alle Übungen, die die Nasenatmung stimulieren, wie z. B. die wechselnde Nasenlochatmung, die ursprünglich eine Atemtechnik aus dem Yoga ist. Das Atmen durch die Nase führt im Vergleich zur Mundatmung zu einer um 10-15 % höheren Sauerstoffsättigung des Blutes. Dafür verantwortlich ist auch das Gas Stickstoffmonoxid, das in den Nasennebenhöhlen gebildet wird, und unter anderem unsere Bronchien weitet. Das wissen die meisten gar nicht. Die Mundatmung ist ja im Prinzip eine Stressatmung, ein Alarmsignal für unser System. Es ist schon viel gewonnen, wenn wir möglichst nur durch die Nase atmen, wenn wir z. B. ganz ruhig Zuhause auf der Couch sitzen.


Als Erstes sollte aber immer die sichere Beherrschung der Lippenbremse stehen, damit sie ganz automatisch bei körperlicher Belastung eingesetzt wird. Grundsätzlich alle Übungen, bei denen die Ausatmung verlängert wird, sind sehr hilfreich – nicht nur für Menschen mit Lungenerkrankungen. Ich übe oft die Summ-Atmung (bzw. Bienenatmung) mit meinen Teilnehmern. Bei jeder Ausatmung wird ein Summton produziert – mit ganz locker aufeinander gelegten Lippen. Da ist wieder egal, wie das genau klingt. Das Summen ist sehr wirksam, da der Ausatemstrom sanft abbremst wird. Die Vibrationen, die beim Summen entstehen, haben zusätzlich eine (schleim)lösende Wirkung.


Impuls:


Beim Begriff „Heilsames Singen“ waren Sie selbst lange skeptisch – Stichwort: Esoterik. Inzwischen liefern Sie in einem Blog-Beitrag aber gute Gründe, warum Sie „Heilsames Singen“ lieben. Was genau könnte für Patienten mit chronischen Lungenerkrankungen heilsam sein beim „Heilsamen Singen“?


Elena Deppe:


Das Wort „heilsam“ ist ja eigentlich ein schönes Wort. Was vor allem „heilsam“ wirkt, ist das gemeinsame Singen in der Gruppe, und die bewusste Auswahl der Lieder. Es sind ganz einfache Texte und Melodien, die gute Laune machen und die Verbundenheit in der Gruppe fördern, die aber auch Themen wie Selbstakzeptanz und liebevolle Selbstannahme berühren. Ein Kernpunkt ist hier, nicht möglichst „schön“ singen zu wollen und eine Aufführung vorzubereiten, sondern die reine Freude am Singen. Einfach in den allgemeinen Klang mit einstimmen und jeden nicht ganz getroffenen Ton als „Variation“ und nicht als Fehler zu begreifen. Die Besonderheit ist auch, dass es zu manchen Liedern Bewegungen im Kreis gibt, die jeder als zusätzlichen lockeren Spaß ausführen kann.


Impuls:


Nun ein Thema, das erstmal nicht so recht zu Chanten und bewußtem Atmen zu passen scheint. Sie präsentieren in einem Blog-Beitrag eine Anleitung für eine persönliche „Kakao-Zeremonie“. Es gibt ja tatsächlich zumindest eine mir bekannte Studie, die eine heilsame Wirkung von Kakao bei COPD nahelegt.


[Quelle: Ruijters, E. J., Haenen, G. R., Weseler, A. R., & Bast, A. (2014). The cocoa flavanol (−)-epicatechin protects the cortisol response. Pharmacological research, 79, 28-33.]


Ist also möglicherweise die “Kakao-Zeremonie“ als Intervention aus der Genuß-Therapie für COPD-Patienten besonders empfehlenswert?


Elena Deppe:


Das Thema Kakao gehört sicherlich in den Bereich des Genuss-Trainings. Da werden ja unsere fünf Sinne Riechen, Schmecken, Tasten, Sehen und Hören ganz bewusst wiederentdeckt. Es ist wirklich eine Frage des Trainings, sich ganz auf das Genießen einzulassen, ohne sich nebenbei abzulenken, z. B. durch Fernsehen, Internet etc. Ich rühre meinen Kakao in Ruhe an, suche mir eine schöne Tasse aus, genieße die Farbe, den wunderbaren Duft und die Wärme beim Trinken und lasse mich durch nichts stören. Ich mag Kakao einfach, weil ich ihn so lecker mit Zimt und Chili würzen kann, und er auf eine besondere Weise mein Herz wärmt.


Für den Genuss von gutem Kakao spricht, dass rohe Kakaobohnen neben ihrem hohen Magnesium-Anteil viele Flavonoide enthalten, die eine anti-entzündliche Wirkung haben. Allerdings sollte niemand Kakao trinken, nur weil er gesunde Inhaltsstoffe hat. Der leicht herbe Geschmack ist nicht für jeden das Richtige. Zu viel Zucker hinzuzugeben, schafft dann ja wieder andere gesundheitliche Probleme … Nesquick und Co. bestehen ja hauptsächlich aus Zucker und haben gar nichts mit richtigem Kakao zu tun. Wer jetzt Lust bekommen hat auf eine kleine persönliche Kakao-Genuss-Zeremonie, der kann die Details ja gern in meinem Blogartikel nachlesen: https://www.elenadeppe.de/anleitung-kakao-zeremonie/.


Impuls:


Schon 2013 habe ich auf Einladung von Dr. Christian Grah in der Klinik Havelhöhe eine Vortrag gehalten zum Thema „Psychopneumologie auf dem Vormarsch“. Seither hat sich bei diesem Thema viel getan. Dr. Christian Grah engagiert sich für die Psychopneumologie und hat unter anderem die Gesellschaft für Lungengesundheit und Atemschule Havelhöhe (GLA) in Berlin aufgebaut. Dort sind Sie, liebe Elena Deppe, als Logopädin, Singleiterin und Übungsleiterin tätig im Bereich Lungensport. Was ist Ihnen bei dieser Tätigkeit besonders wichtig?


Elena Deppe:


Ganz wichtig ist mir, einen Ort mit angenehmer Atmosphäre zu schaffen, in dem Menschen mit COPD gemeinsam Körperübungen und Atemtechniken erlernen können. Oft sind ja normale Sportvereine oder Fitnessstudios nicht so passend für die eigenen Bedürfnisse. In einer Lungensportgruppe kann vieles passend gemacht werden. Im besten Fall üben wir frei von Vergleich und Leistungsgedanken. Es kann selbstverständlich gehustet und mit Nasenbrille und Sauerstoffgerät trainiert werden, ohne dass komisch geschaut wird.


Zu Beginn jeder Lungensport- oder Sing-Stunde bei mir gibt es ein paar Minuten Gesprächszeit. Wie geht es mit meiner Luft heute oder mit dem neuen Medikament? Wer fährt in den Urlaub, wer zur Reha? Keiner nimmt sich zu viel Raum, jeder kommt mal zu Wort. So entsteht nach und nach ein guter Zusammenhalt in der Gruppe.


Der von Dr. Grah gegründete Verein (GLA), der an das Gemeinschaftskrankenhaus Havelhöhe in Berlin angegliedert ist, setzt sich in vielerlei Hinsicht für Menschen mit Atemwegserkrankungen ein. Es gibt dort neben unseren Lungensport-Gruppen auch Programme zur Rauchentwöhnung, zur psychoonkologischen Begleitung bei Lungenkrebs und vieles mehr. Ich bin ich dankbar, in so einem engagierten Umfeld arbeiten zu können. Übrigens biete ich über den Verein auch Lungensport als Online-Kurs an (über Zoom). Da können sich die Blog-Leser bei Interesse gern für eine Schnupperstunde anmelden. https://gla-havelhoehe.de/lungensport/



Vielen Dank, lieben Elena Deppe, für die interessanten Einblicke in Ihr vielfältiges Angebot. Sie haben im Rahmen dieses zweiteiligen Interviews anschaulich vermittelt, wie eine „Trainerin für gesundes Atmen und Lebensfreude“ mit einem reich gefüllten Methodenkoffer auch zum Wohlbefinden von Patienten mit chronischen Lungen-Erkrankungen beiträgt.


Von Herzen alles Gute für Ihr weiteres Engagement und viel Freude beim gemeinsamen freien Atmen und heilsamen Singen für Menschen mit und ohne Atemwegs- und Lungen-Erkrankungen.


Linkliste:






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  • Frei atmen, heilsam singen: Interview mit Elena Deppe (Teil 1)






 

 

Beitragschronik

 

  • Erstveröffentlichung: 26.4.2022



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