So lautet das diesjährige Motto zum Welttag für seelische Gesundheit.
Dieser Aktionstag (englisch World Mental Health Day) wird von der World Federation for Mental Health (WFMH) und der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ausgerufen. Er wird jährlich am 10. Oktober begangen und soll auf das Thema psychische Gesundheit aufmerksam machen, Informationen über psychische Krankheiten verbreiten und die Solidarität mit psychisch Kranken und ihren Angehörigen stärken.
In der D-A-CH-Region richten nationale Netzwerke die Aktionen zum jährlichen Welttag aus:
In Deutschland findet in diesem Jahr vom 10. bis 20. Oktober die Woche der Seelischen Gesundheit unter der Leitung des Aktionsbündnisses Seelische Gesundheit statt. Sie rückt 2022 unsere sozialen Beziehungen und den gesellschaftlichen Zusammenhalt in den Fokus.
Dazu heißt es auf der Website des Aktionsbündnisses:
„Unter dem Motto „Reden hebt die Stimmung – Seelisch gesund in unserer Gesellschaft” setzt sich die Aktionswoche dafür ein, miteinander ins Gespräch zu kommen und Verständnis füreinander zu entwickeln. Denn: Reden hilft und kann entstandene Gräben überwinden und zu einem neuen Miteinander beitragen.“
Bereits 2010 stand der Welttag für seelische Gesundheit unter dem Motto „Chronische körperliche Erkrankungen und psychische Gesundheit“. Damit betonte er die untrennbare Verflechtung von chronischen körperlichen Krankheiten und seelischem Befinden.
Diese Verflechtung zeigt viele Facetten. Zwei davon sind sollen nun (am Beispiel der chronischen Lungen-Erkrankung COPD) näher beleuchtet werden:
Zunächst ein paar Studienergebnisse: Depression ist die zweithäufigste selbstberichtete Begleitkrankheit bei Patienten mit COPD. Die durchschnittliche Prävalenz (Häufigkeit) von Depressionen und Angstzuständen bei COPD-Patienten liegt (je nach Studiendesign) bei circa 40 %. Darüber hinaus ist die Prävalenz der Panikstörung bei Patienten mit COPD etwa zehnmal höher als in der Allgemeinbevölkerung.
Psychische Probleme bei COPD sind verknüpft mit:
Eine Auswahl der komplexen Zusammenhänge liefert die folgende Themenliste.
Psychische Störungen sind als Teil der Multimorbidität bei chronischen Lungen-Erkrankungen weit verbreitet und stehen in Zusammenhang mit dem COPD-Schweregrad.
Die Unterscheidung zwischen psychischen und körperlichen Symptomen bereitet bei COPD erhebliche diagnostische Schwierigkeiten (Ist es Angst, Depression, Fatigue… oder ist es die Lunge?).
Rauchen, COPD und psychische Gesundheit sind eng miteinander verwoben und leiten über zu diversen Feldern der Stigmatisierung:
Aus all diesen Gründen ergibt sich ein dringlicher Bedarf an Aufklärung über psychische Erkrankungen bei COPD und eine diesbezügliche angemessene Unterstützung. Dies setzt jedoch voraus, daß die (meist pneumologisch orientierten) Gesundheitsexperten entsprechende Erfahrung haben in der Diagnostik und Behandlung von psychischen Störungen oder in der Vermittlung von Therapieangeboten.
Besonders die Vermittlung von Therapieangeboten ist in einem differenzierten, mitunter wenig durchschaubaren und schwer zugänglichen System der Gesundheitsversorgung für viele psychisch belastete Patienten mit chronischen Lungen-Erkrankung eine entscheidende Hilfestellung.
Allerdings scheuen Betroffene auch deshalb den Weg zu einem psychosomatisch erfahrenen Therapeuten, weil sie sich gegen die zahlreichen Behandlerwechsel sträuben. Ein multidisziplinäres Team zur Bewältigung all dieser Probleme könnte dieser zersplitterten Versorgung entgegenwirken.
Die Komplexität der Befunde macht sorgfältig angepaßte Unterstützungsangebote notwendig. Diese sollten vor allem folgende Bereiche berücksichtigen:
Gezielte Patientenaufklärung über psychologische Interventionen und die Integration von Experten für psychische Gesundheit (Psychosomatiker, Psychotherapeuten, Gesundheits-Coaches mit Erfahrungen im pneumologischen Bereich) in multiprofessionellen Teams (Kollaboratives Versorgungs-Modell) sind wünschenswert, um psychisch belastete Patienten mit chronischen Lungen-Erkrankungen (z. B. COPD) effektiv zu unterstützen.
Die Lebenserwartung von Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen (z. B. affektive Störungen, schizophrene Störungen) liegt etwa 13 bis 30 Jahre unter jener der Allgemeinbevölkerung. Diese Kluft hat sich im Laufe der Zeit sogar vergrößert.
Lungen-Erkrankungen sind eine der Hauptursachen für ein erhöhtes Sterberisiko bei schweren psychischen Erkrankungen. Eine komorbide psychische Erkrankung verdreifacht das Sterberisiko an einer chronischen Erkrankung der unteren Atemwege.
Die erhöhte Krankheitslast bei COPD zeigt sich bei Patienten mit psychischen Störungen unter anderem durch:
Psychiater, die Patienten mit komorbider COPD behandeln, können entscheidenden Einfluß auf das Befinden der Betroffenen nehmen, wenn sie:
Die Bewältigung der Herausforderungen durch eine komorbide COPD bei Patienten mit schweren psychischen Störungen gelingt am besten durch eine kontinuierliche und vertrauensvolle Beziehung zwischen Behandlern und Betroffenen.
An erster Stelle steht die Motivierung zur Raucherentwöhnung und die verständnisvolle, dauerhafte Unterstützung bei den entsprechenden Bemühungen.
Bei der Beratung von Patienten mit psychischen Erkrankungen über die Raucherentwöhnung sollten spezifische Motivationen der Betroffenen sorgsam erhoben werden. Dazu zählt etwa das Phänomen, daß Rauchen extrapyramidale Symptome (verursacht durch Antipsychotika) mildern kann. Patienten können zudem Rauchen als Selbstmedikation bei Depressionen und Angstzuständen einsetzen. Es ist also wichtig, gleichzeitig mit der Empfehlung zur Raucherentwöhnung, alternative Methoden zur Bewältigung dieser Probleme (Coping) anzubieten.
Selbstverständlich ist neben der Förderung der Raucherentwöhnung die Anleitung der Betroffenen zu einem angemessenen COPD-Management unabdingbar:
Für psychiatrische Patienten kann insbesondere die korrekte Anwendung der inhalativen Therapie schwierig sein, vor allem für Patienten mit kognitiven oder funktionellen Beeinträchtigungen. Hier ist es wichtig, Betroffene immer wieder ihre Inhalationstechnik demonstrieren zu lassen und diese ggf. erneut einzuüben, um die Wirksamkeit sicherzustellen.
Die Empfehlungen zeigen: Es gibt auch für Patienten mit schweren psychischen Störungen und komorbider COPD viele Möglichkeiten, den Krankheitsverlauf positiv zu beeinflußen.
Quellen und weiterführende Literatur
Wang, J., Willis, K., Barson, E., & Smallwood, N. (2021). The complexity of mental health care for people with COPD: a qualitative study of clinicians’ perspectives. npj Primary Care Respiratory Medicine, 31(1), 1-8.
Fuentes-Alonso, M., Lopez-Herranz, M., López-de-Andrés, A., Ji, Z., Jiménez-García, R., Maestre-Miquel, C., ... & de Miguel-Diez, J. (2021). Prevalence and determinants of mental health among COPD patients in a population-based sample in Spain. Journal of clinical medicine, 10(13), 2786.
Ouellette, D. R., & Lavoie, K. L. (2017). Recognition, diagnosis, and treatment of cognitive and psychiatric disorders in patients with COPD. International journal of chronic obstructive pulmonary disease, 12, 639.
Alam, A., Huijon, R. M., Alla, V., & Rivera, N. (2016). COPD comorbid with mental illness: What psychiatrists can do. Current Psychiatry, 15(5), 68.
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