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Tuberkulose und Psyche: Angehörige und Leben mit Tuberkulose

Monika Tempel • März 17, 2022

Eine Tuberkulose-Erkrankung betrifft Patienten und Angehörige und prägt deren Leben.


Angehörige und soziales Umfeld


In der Praxis ist jeder Tuberkulose-Fall meldepflichtig, bei dem eine Kombinationstherapie zur Behandlung eingeleitet wurde. Darüber hinaus ist es wichtig, enge Kontaktpersonen im Umfeld einer infektiösen Tuberkulose zu identifizieren, zu untersuchen und ggf. angemessen zu behandeln.

 

[Quelle: https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Merkblaetter/Ratgeber_Tuberkulose.html]

 

Schon diese rechtlichen Vorgaben machen deutlich, was bereits im zweiten Beitrag der Blog-Serie „Tuberkulose und Psyche“ dargestellt wurde: Die Erkrankung an einer TB ist keine „Privatangelegenheit“.

 

Doch nicht nur die Diagnose und die Therapie-Einleitung bei Tuberkulose betreffen neben dem Patienten auch sein soziales Umfeld. Der langwierige und mitunter sehr strapaziöse Behandlungsverlauf und der Alltag mit der Erkrankung stellen außer dem Patienten auch seine Angehörigen vor erhebliche Herausforderungen.

 


„Es war eine schwere Zeit, für mich und alle Menschen um mich herum.“

 

„Wenn ich mir Fotos von mir und meiner Familie aus der Zeit meiner Behandlung ansehe, bin ich nicht der Einzige, der krank aussieht!“  

 

Die Belastung der Angehörigen hängt in hohem Maße von der Schwere und den Auswirkungen der Erkrankung ab. Wesentliche emotionale Belastungsfaktoren sind:

 

  • Ungewißheit (z. B. im Hinblick auf körperliche Dauerschäden),
  • Angst (z. B. im Hinblick auf gesundheitliche, soziale oder finanzielle Auswirkungen),
  • Niedergeschlagenheit und Depression (z. B. durch Rückschläge, Umgang mit schweren Nebenwirkungen der Tuberkulostatika),
  • Überlastung und Pflege-Burnout (durch Rollenwechsel, Krankheits-Management).

 


„Wer alleine und auf Hilfe angewiesen ist, fühlt sich wahrscheinlich ziemlich verloren.“

 

„Ich hatte Glück: Meine jüngere Schwester zog für ein Jahr bei mir ein und schaffte es, sich vor Ort einen Job zu suchen, um mich zu unterstützen. Ich war so erleichtert, daß sie bereit und in der Lage war, mich körperlich, seelisch und finanziell zu unterstützen.“

 

Schwere oder sehr langwierige Behandlungsverläufe sind bei Tuberkulose dank der verbesserten Therapieoptionen inzwischen glücklicherweise selten. Meist erholen sich die Patienten unter der medikamentösen Behandlung bereits nach einigen Wochen und erlangen wieder eine gute körperliche und psychische Stabilität.

 

Manche Patienten benötigen jedoch über viele Monate Unterstützung. In diesen Fällen ist ein tragfähiges und dauerhaft belastbares soziales Netz unersetzlich.

 

Dieses soziale Netz darf jedoch nicht so überlastet werden, daß es reißt. Deshalb sollte das Engagement des öffentlichen Gesundheitsdienstes von Anfang an auch die Angehörigen von Tuberkulose-Patienten und deren körperliches und psychisches Wohlbefinden berücksichtigen.

 

Im „Handbuch Tuberkulose“ wird das Vorgehen von einer Mitarbeiterin des Gesundheitsamtes so geschildert:

 

„Wenn ich den Eindruck habe, dass der Kranke oder seine Familie nicht mehr mit der Bewältigung des Alltaglebens zurechtkommen, werden sie auf die

Hilfsangebote von Sozialstationen und Sozialdienst aufmerksam gemacht und evtl. auch mit Zustimmung der Betroffenen Kontakte mit diesen Einrichtungen hergestellt.“

 

[Quelle: Forßbohm, M., Loytved, G., & Königstein, B. (2009). Handbuch Tuberkulose. Akademie für Öffentliches Gesundheitswesen, Düsseldorf.]

 

Gelingt es Angehörigen, eventuell mit der Unterstützung von professionellen Helfern, gemeinsam mit dem Patienten die emotionalen Herausforderung der Tuberkulose-Erkrankung zu meistern, können sie rückblickend stolz und zufrieden auf ihre Coping-Leistung blicken:

 


„Es war unglaublich hart, aber es hat uns zusammengeschweißt und uns auch als Familie stärker gemacht.“

 

Damit eine solche rückblickende Bewertung für Patienten und Angehörige wahrscheinlicher wird, stellt die folgende kommentierte LINK-Liste die wichtigsten digital zugänglichen Informations- und Unterstützungsmöglichkeiten zum Thema „Tuberkulose und Psyche“ vor.

 


Unterstützung für Patienten und Angehörige im Alltag mit Tuberkulose

 


Robert-Koch-Institut (RKI)

 

Der aktuelle RKI-Ratgeber (März 2022) enthält leider keine speziellen Informationen oder Hinweise zum Thema „Tuberkulose und Psyche“ und „Angehörige“.

 

 


Deutsches Zentralkomitee zur Bekämpfung der Tuberkulose (DZK)

 

Der Internet-Auftritt des DZK ist eine Fundgrube für das Thema „Tuberkulose und Psyche“. Stöbern lohnt sich! Besonders anschaulich und hilfreich sind beispielsweise die Interviewfilme.

 

Du findest sie über folgenden Suchpfad: Menüpunkt „Tuberkulose“ – Unterpunkt „Interviewfilme“.

 

Die beiden Videos zu den „Patientengeschichten“ gehen unter anderem auf die Themen „Schock“, „Stigma“ und „Isolation“ ein und präsentieren auch Empfehlungen für die Angehörigen.

 

Auch die Videos zum Thema „Motivation“ berücksichtigen erfreulicherweise sowohl die Situation der Patienten, als auch die Herausforderungen für die Angehörigen.

 

 


Nationales Referenzzentrum für Mykobakterien (NRZ) am Forschungszentrum Borstel

 

Gibt man auf der Homepage des Forschungszentrums Borstel – Leibniz Lungenzentrum in der Suchfunktion die Begriffe „Tuberkulose Psyche“ ein, so liefert diese Suche NULL Treffer.

 

Unter den zahlreichen Suchergebnissen für den Begriff „Tuberkulose“ finden sich zwar ebenfalls keine Treffer mit ausdrücklichem Bezug zum Thema „Tuberkulose und Psyche“. Die Titel verweisen aber mitunter auf patienten-zentrierte Inhalte, zum Beispiel:

 

  • „Neue internationale Behandlungsempfehlungen für Erkrankungen durch nicht-tuberkulöse Mykobakterien“ (Presse 2022)
  • „Tuberkulose: Wie kann man eine Behandlung mit Erfolg beenden?“ (Presse 2021)


Ausdrückliche und konkrete Unterstützungsangebote zum Thema „Tuberkulose und Psyche“ und „Angehörige“ finden sich in diesen beiden Beispieldokumenten nicht.

 

 


Mehrsprachige Patienteninformationen: Explain TB

 

Das Online-Angebot “Explain TB” liefert vielfältige digitale Inhalte in bis zu 30 Sprachen. Es dient vor allem zur Unterstützung der Kommunikation von Betroffenen und Behandlern mit unterschiedlichen Muttersprachen.

 

Einfache Bedienung und komfortable Funktionen zeichnen „Explain TB“ als ein vielseitig nutzbares und hilfreiches Angebot aus.

 

Über den Menüpunkt „Handout“ kann man aus zahlreichen Inhalten wählen und so ein individuell zusammengesetztes zweisprachiges Handout erstellen. Leider finden sich in den einzelnen Kapiteln keine Hinweise zum Thema „Tuberkulose und Psyche“.

 

Lediglich im Kapitel „Palliativpflege“ heißt es mit Blick auf die Situation, wenn alle verfügbaren Tuberkulose-Medikamente unwirksam sind: „Das ist eine schwierige Situation für Menschen, die von der Krankheit betroffen sind, ihre Angehörigen und ihre Betreuer.“

 

 


European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC)

 

Diese englischsprachige Website liefert eine Fülle von allgemeinen Informationen zur Tuberkulose. Spezielle Hinweise zum Thema „Tuberkulose und Psyche“ findet man leider erst bei einer sehr gründlichen Recherche.

 

Bei der vertieften Suche findet man beispielsweise folgende Hinweise im Dokument „Standards der Europäischen Union für die Tuberkuloseversorgung – Aktualisierung von 2017“:

 

„Standards für die Tuberkulosebehandlung


Standard 7

Jeder Arzt, der einen Patienten mit Tuberkulose behandelt, übernimmt eine wichtige Verantwortung für die öffentliche Gesundheit, um eine weitere Übertragung der Infektion und die Entwicklung von Arzneimittelresistenzen zu verhindern. Um dieser Verantwortung gerecht zu werden, muss der Arzt in Kooperation mit den Behörden des öffentlichen Gesundheitsdienstes Folgendes leisten:

….

3) die Therapieadhärenz des Patienten beurteilen und fördern, indem ein auf den Patienten zugeschnittener Ansatz in Zusammenarbeit mit den Familienmitgliedern, des sozialen Umfeldes und/oder den Gesundheitsdienstleistern der Gemeinde sowie Organisationen der Zivilgesellschaft angewendet wird,

Standard 9

Ein auf den Patienten zugeschnittener Behandlungsansatz sollte für alle Patienten entwickelt werden, sich an den Bedürfnissen des Patienten orientieren sowie auf gegenseitigem Respekt zwischen Patient und Gesundheitsdienstleister beruhen.“

 

[Quelle: https://www.ecdc.europa.eu/en/publications-data/european-union-standards-tuberculosis-care-2017-update]

 

 


Weltgesundheitsorganisation (WHO)

 

Auf der englischsprachigen Website der WHO gelangst Du über den Menüpunkt „Health Topics“ und den alphabethischen Unterpunkt „T“ zu den relevanten Informationen über Tuberkulose.

 

Der Blog-Beitrag zum Welt-Tuberkulosetag 2022 stellt die konkreten Unterstützungsansätze der WHO zum Thema „Tuberkulose und Psyche“ vor:

 

  • End TB Strategie (End TB Strategy)
  • Patienten-Charta
  • Aktionsprogramm zur Förderung der psychischen Gesundheit (mhGAP)  

 

Einzelheiten zu diesen Unterstützungsangeboten kannst Du im oben erwähnten Blog-Beitrag „Welt-Tuberkulose-Tag 2022: Ein Thema für die Psychopneumologie?“ nachlesen.

 

 


Damit endet der vierte Beitrag der Blog-Serie zum Thema „Tuberkulose und Psyche“. Zum Abschluß verweise ich wieder auf das Selbsthilfe-Projekt von Carolin Fuchs: Mit Tuberkulose leben.

 

Durch eigene Erfahrungen mit der Krankheit Tuberkulose motiviert, möchte Carolin Fuchs mit ihrem Internet-Auftritt Betroffene (Patienten, Angehörige, Fachkräfte) vernetzen, um sich mit der Diagnose auseinanderzusetzen, Erfahrungen auszutauschen und sich gegenseitig zu unterstützen, denn: „Mit Tuberkulose lebt man ein Leben lang.“

 

 

 

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Beitragschronik

 

  • Erstveröffentlichung: 17.3.2022

 

 

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