Leben mit TBC - Der Film

Monika Tempel • 8. Dezember 2025

Das Jahr 2025 endet mit einem ganz besonderen Finale: Leben mit TBC – Der Film

Carolin Fuchs, die Gründerin und Leiterin der Selbsthilfe-Gruppe „Leben mit Tuberkulose“ hat in Zusammenarbeit mit der Selbsthilfe-Kontaktstelle Niederbayern und dem Engagement von Betroffenen und Behandlern einen Informationsfilm  auf die Beine gestellt. Durch die vorgegebene Zeitbegrenzung für die einzelnen Beiträge wurde das Statement zur psychopneumologischen Begleitung von Tuberkulose-Erkrankten und deren Angehörigen stark zusammengeschnitten. Aus diesem Grund folgen hier einige Abschnitte aus dem Textentwurf für das Statement, die leider der Produzentenschere zum Opfer fallen mußten.

 

Tuberkulose und die Psyche

 

Die Tuberkulose (TBC) ist eine schwere Infektionskrankheit mit langwierigem Verlauf und belastenden Auswirkungen. Durch die hohen emotionalen Belastungen ist die TBC ein Musterbeispiel für eine Lungenerkrankung, an der man die Bedeutung von psychopneumologischen Angeboten sehr anschaulich erklären kann.

 

Die drei wichtigsten Aspekte sollen hier exemplarisch vorgestellt werden:


1. Die Auswirkungen der TBC auf Betroffene und deren Angehörige

2. Die Auswirkungen der Isolation

3. Die Notwendigkeit einer psychopneumologischen Begleitung

 

1. Wie wirkt sich eine so schwere Infektionskrankheit wie die TBC auf Patienten und deren Angehörige aus?

 

Schwere, langwierige oder sogar chronische Krankheiten (auch schwere Infektionskrankheiten) haben in der Regel nicht nur Auswirkungen auf Patienten, sondern ebenso starke (mitunter sogar stärkere) Auswirkungen auf deren Angehörige.

 

In der Fachliteratur wird von We-Disease (zu Deutsch: Wir-Krankheit) gesprochen. Der Begriff We-Disease drückt aus, daß von der Krankheit immer Patienten und Familie oder Nahestehende betroffen sind.

 

Bei der Tuberkulose sind die Auswirkungen noch weitreichender, dann TBC ist keine Privatangelegenheit, sondern eine „soziale Krankheit“.

 

Welche Faktoren machen TBC zu einer „sozialen Krankheit“?


  • Behandlungspflicht
  • Isolationspflicht (bei offener Lungentuberkulose)
  • (namentliche) Meldepflicht
  • Identifizierung, Untersuchung und ggf. Behandlung von Kontaktpersonen
  • Langfristige Kontrolle durch den Öffentlichen Gesundheitsdienst

 

Für die „soziale Krankheit“ Tuberkulose gilt in besonderem Maße: Alle emotionalen Belastungen können auch bei Angehörigen zu psychischen Störungen führen.

 

Deutlich drückt es ein TBC-Patient aus: „Wenn ich mir Fotos von mir und meiner Familie aus der TB-Zeit ansehe, bin ich nicht der Einzige, der krank aussieht.“

 

Was sind die häufigsten emotionalen Belastungen bei Patienten und Angehörigen?


  • Ungewißheit (Diagnose? Therapie? Nebenwirkungen der Behandlung? Langzeit-Schäden?)
  • Ängste (Gegenwart, Zukunft)
  • Niedergeschlagenheit (Isolation, Rückschläge in der Behandlung, langfristiger Verlauf)
  • Scham und Schuldgefühle – Selbst- und Fremd-Stigmatisierung
  • Überforderung, Pflege-Burnout
  • Veränderte Familien-Dynamik, Rollenkonfusion

 

Eine besondere emotionale Herausforderung stellt die Phase der Isolation bei offener (ansteckender) Lungentuberkulose dar.

 

2. Was macht die Isolation mit der Psyche der Patienten?

 

(Der Film zeigt Teile des Statements zu diesem Punkt – hier folgt der vollständigere Textentwurf)

 

Bei TBC sind zwei Formen der Isolation von Bedeutung:


  • Selbstgewählter Rückzug
  • Pflicht-Isolation

 

Selbstgewählter Rückzug

 

Der selbstgewählte Rückzug erfolgt manchmal bereits in der Zeit der ungeklärten Symptome, der sogenannten Diagnostikphase. Diese Phase kann bei TBC Monate dauern und sehr belastend sein, wenn keine Erklärung gefunden wird für die quälenden Symptome, die Leistungsminderung, den Kräfteverfall. Manche Patienten fühlen sich unverstanden und ziehen sich bereits in dieser Situation zurück.

 

Viele Patienten wählen aber auch nach der TBC-Diagnose (und sogar nach erfolgreicher Therapie) den Rückzug aus Scham, aufgrund von Schuldgefühlen oder nach Stigma-Erfahrungen.

 

Die selbstgewählte Isolation ist:

·      kurzfristig entlastend

·      langfristig verstärkt sie die emotionalen Probleme (mitunter bis hin zu ausgeprägten Angst- und Depressions-Symptomen)

 

Pflicht-Isolation

 

Die Pflicht-Isolation bedeutet:

·      Verlust der Autonomie (Mobilität, Kontakte)

·      Kontrollverlust (à Selbstwertverlust)

·      Finanzielle Verluste (durch längerdauernde Arbeitsunfähigkeit à Selbstwertverlust)

·      Statusverlust (à Selbstwertverlust)

·      Soziale Stigmatisierung (Ausgrenzung à Selbstwertverlust)

 

Durch die verstärkte Selbstwahrnehmung bei gleichzeitig fehlenden sozialen Rückmeldungen können Ängste und Depressionen während der Isolationsphase zusätzlich intensiviert werden.

 

Diese kurze Aufzählung zeigt bereits: Es gibt keine Gesundheit ohne psychische Gesundheit!

 

3. Sollte eine psychopneumologische Begleitung für Menschen mit Tuberkulose verpflichtend angeboten werden?

 

In diesem Zusammenhang stellt sich zunächst die Frage: Was ist realistisch angesichts begrenzter personeller und finanzieller Ressourcen?

 

Hierzu ist es sinnvoll, auf das Konzept „Patientenreise“ einzugehen. (Einzelheiten zur Patientenreise bei Tuberkulose finden sich in den Blog-Beiträgen zum Thema „Tuberkulose und Psyche“ auf dieser Website – siehe LINK-Liste  am Ende des Beitrags.)

 

Was ist die Patientenreise?

 

Vom Vorfeld einer Krankheit (z. B. einer Tuberkulose) über den Verlauf bis zum offenen Ende einer Krankheit bietet der Vergleich der Erkrankung mit einer Reise ein eingängiges Bild für Patienten . Behandler können sich für die Patientenreise als „Reisebegleiter“ anbieten.

 

Bei der TBC umfaßt die Patientenreise:


  • Symptomphase (Abklärungs-/Diagnostikphase)
  • Diagnosestellung/mitteilung und Therapieeinleitung
  • Behandlungsphase (Isolationsphase, Kontrollphase)
  • Leben mit TBC (evtl. Post-TBC-Phase)

 

Wie bei jeder Reise, gibt es bei der Patientenreise besondere Meilensteine (Schwellensituationen, Übergänge). Diese Meilensteine verlangen eine besondere Aufmerksamkeit und sind wichtige Ansatzpunkte für die psychopneumologische Begleitung.

 

Es wäre also bereits viel gewonnen, wenn sich für die TBC-Behandlung ein „Meilenstein-Konzept“ durchsetzen würde, wie es beispielsweise für Krebserkrankungen bereits entwickelt wurde.

 

Die typischen Meilensteine der TBC aus Patientenperspektive sind vor allem:

·      Diagnosemitteilung und Therapieeinleitung

·      Isolationsphase

·      Entlassung in häusliche Weiterbehandlung

·      Abschluß der Medikation (6-18 Monate)

 

An den Meilensteinen der TBC sollte ein Standard-Screening auf psychische Belastungen (v. a. Ängste, Depressionen, Einsamkeit) durchgeführt werden und bei erkennbarem Bedarf ein angepaßtes psychopneumologisches Angebot unterbreitet oder vermittelt werden.

 

Die psychopneumologischen Angebote sollten flexibel und kultursensibel gestaltet sein und sich am Grad der emotionalen Belastung orientieren.

 

Höherschwellig (bei krankheitswertigen Symptomen):


  • Kognitive Verhaltenstherapie (KVT)
  • Achtsamkeitsbasierte Therapie


Dabei auch Angebote mittels Digitaler Gesundheitsanwendungen (DiGA) in Betracht ziehen!

 

Niedrigschwellig (multidisziplinär, langfristig, möglichst für alle Interessierten):


  • Selbsthilfe-Gruppen (SHG)
  • Psychoeduktion
  • Streßbewältigung
  • Alltagsstruktur


Angebote in Zusammenarbeit von Medizin, Psychologie, Sozialarbeit, Öffentlichem Gesundheitsdienst sind am sinnvollsten!

 

Die Angebote können bereits während des stationären Aufenthaltes vorgestellt oder vermittelt werden.

 

Bisher ist dieses Vorgehen in Deutschland nicht standardmäßig explizit gesetzlich geregelt. Vermutlich ließe sich aber durch eine stärkere Integration psychopneumologischer Unterstützung in die TBC-Behandlung (möglichst niedrigschwellig, kultursensibel, multidisziplinär, langfristig) die Versorgung von Patienten und Angehörigen verbessern und die Therapie-Adhärenz fördern.

 

Selbsthilfe „Leben mit Tuberkulose“ auf vielen Kanälen

 

Carolin Fuchs und die Selbsthilfe-Gruppe „Leben mit Tuberkulose“ zeigen mit ihrem Engagement, wie eine schwere Erkrankung zum Anstoß für eine proaktive Bewältigung werden kann. Die kreative Umsetzung der Ideen erfolgt dabei auf unterschiedlichen Kanälen.

 



 

Der Informationsfilm von Carolin Fuchs und der Selbsthilfekontaktstelle Niederbayern (Produktion: mediaatelier bauernfeind) ist dabei das Highlight zum Jahresende 2025:


 Leben mit Tuberkulose



 

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  • Erstveröffentlichung: 8.12.2025



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