Optimistische COPD-Patienten leben besser. So könnte man die Ergebnisse einer aktuellen Studie salopp zusammenfassen. Diese erfreuliche Schlußfolgerung verstellt möglicherweise den Blick darauf, daß die Zusammenhänge zwischen Optimismus und Gesundheit vielschichtig und nicht immer widerspruchsfrei sind.
Optimismus (vom Lateinischen: optimum = das Beste) steht im üblichen Sprachgebrauch für eine Persönlichkeitseigenschaft. Wer dazu neigt, positiv auf die eigene Person, die Welt und die Zukunft zu blicken, wird als Optimist bezeichnet. Die gegenteilige Grundhaltung wird als Pessimismus bezeichnet.
Wissenschaftlich werden verschiedene Formen von Optimismus unterschieden. Für das Thema „Lunge und Psyche“ sind folgende Spielarten am bedeutsamsten:
Dispositionaler Optimismus ist Erwartungsoptimismus: „Ich sehe stets die guten Seiten.“ Diese generalisierte positive Zukunftserwartung geht davon aus, daß sich auch schwierige Situationen zum Guten entwickeln werden, und zwar unabhängig davon, ob dies sich von allein positiv entwickelt oder ob man selbst dazu beiträgt.
Beim optimistischen Attributionsstil geht es nicht um Erwartungen für die Zukunft, sondern um Ursachenzuschreibungen für die Vergangenheit. Diese Zuschreibungen werden im Hinblick auf drei Dimensionen vorgenommen und variieren zudem in Bezug auf negative und positive Ereignisse.
Das komplexe Konstrukt läßt sich am besten durch typische Aussagen für einen optimistischen Attributionsstil verdeutlichen.
Beim unrealistischen Optimismus werden drei Arten von positiven Illusionen unterschieden:
Die Auswirkungen von unrealistischem Optimismus und positiven Illusionen auf Krankheitsverläufe sind zwar vielfach untersucht, jedoch bisher nicht eindeutig bewertet.
Obwohl das Phänomen Optimismus so vielschichtig ist, wurden Operationalisierungen entwickelt, um es meßbar zu machen. Häufig benutzt werden folgende Selbstbeurteilungs-Instrumente:
Der LOT-R wurde zur Erhebung individueller Unterschiede zwischen dispositionalem Optimismus und Pessimismus entwickelt. Er umfaßt 10 Items.
Der SWOP-K9 mißt mit neun Items die Konstrukte Selbstwirksamkeit, Optimismus und Pessimismus. Er wurde aus einer angepaßten und gekürzten Zusammenfassung zweier Fragebögen entwickelt.
Diese Meßinstrumente sind zwar für viele Fragestellungen über die Zusammenhänge zwischen Optimismus und Gesundheit hilfreich, ihre Aussagekraft wird jedoch teilweise kritisch beurteilt.
Umstritten ist auch das eindimensionale Konzept, wonach Optimismus und Pessimismus die beiden Endpunkte auf einem Kontinuum sind.
Ein bereichsspezifischer Blick scheint der Wirklichkeit näher zu kommen, denn ein pessimistischer Attributionsstil kann bei einem grundsätzlich optimistischen Attributionsstil durchaus der Realität angemessener sein: „Jeden Tag eine Runde um den See halte ich auf Dauer nicht durch“ ist als realistische (pessimistische) Selbsteinschätzung durchaus verträglich mit der grundsätzlich optimistischen Überzeugung „Durch meinen Lebensstil trage ich dauerhaft zu einem stabilen Verlauf der COPD bei.“
Es gibt verschiedene Wirkwege zwischen Optimismus und Gesundheit, die gut untersucht und belegt sind. Als Hauptwege gelten:
Optimismus erhöht beispielsweise die Streß-Resistenz und zeigt Zusammenhänge mit einem besser funktionierenden Immunsystem.
Optimismus führt möglicherweise dazu, daß Personen sich selbst eine höhere Kompetenzerwartung und Kontrollüberzeugung zuschreiben und dadurch erfolgreicher bei der Bewältigung von schwierigen Situationen sind. Außerdem zeigen sich Zusammenhänge zwischen Optimismus und bestimmten Strategien im Rahmen von Streß-Management (z. B. positive Umdeutung, Sinnfindung, Humor).
„Optimisten“ zeigen im Vergleich zu „Pessimisten“ mehr Gesundheitsverhalten (z. B. gesunde Ernährung, körperliche Aktivität) und weniger Risikoverhalten (z. B. Rauchen, Alkoholkonsum). Das Gesundheitsverhalten äußert sich auch in einem höheren Interesse an Gesundheitsinformationen, effektiveren Streßbewältigungs-Strategien und verstärkter Suche nach sozialer Unterstützung.
Die Zusammenhänge zwischen Optimismus und sozialer Unterstützung sind bemerkenswert. Eine gesundheitsförderliche Wirkung für die von den „Optimisten“ selbst berichtete soziale Unterstützung ist nachweisbar. Diese stimmt aber nicht zwangsläufig mit der tatsächlich erfolgten sozialen Unterstützung überein. Entscheidend scheint also die subjektive Wahrnehmung und Zufriedenheit mit der erhaltenen Unterstützung zu sein.
Die vereinfachte Antwort auf diese schwierige Frage lautet: Im Prinzip ja, bei besonderen Konstellationen nein.
Es gibt viele Befunde, die für einen positiven Zusammenhang zwischen Optimismus und Gesundheit sprechen. Das gilt besonders für das psychische Wohlbefinden, aber auch für die körperliche Gesundheit (v. a. von Herz-Kreislauf-System, Immunsystem, Atmungssystem).
Es gibt aber auch Befunde, die einen weniger positiven oder sogar negativen Zusammenhang nahelegen. Besonders die Fehldeutung eines optimistischen Attributionsstils (z. B. Positives Denken), aber auch dispositionaler und unrealistischer Optimismus können negative Auswirkungen auf die Gesundheit zeigen.
Gerade bei der schwierigen Fragestellung nach den konkreten Vor- und Nachteilen von Optimismus für die Gesundheit besteht noch viel Forschungs- und Klärungsbedarf.
„Optimistische“ Forscher wie Martin Seligman, einer der Begründer der Positiven Psychologie, gehen von einem gelernten und optimierbaren Optimismus aus. Vor allem mit multimodalen kognitiven Methoden kann man laut Martin Seligman auch mittels Selbsthilfe einen optimistischen Erklärungsstil erlernen und damit sein körperliches und seelisches Wohlbefinden stärken.
Andere Forscher betrachten Optimismus als einen genetisch (zumindest teilweise) festgelegten Wesenszug, der relativ stabil über die Lebensspanne hinweg besteht. Sie sind entsprechend zurückhaltender im Hinblick auf die Erlernbarkeit von Optimismus. Sie hinterfragen zudem, ob ein erlernter optimistischer Erklärungsstil tatsächlich ebenso gesundheitsförderlich wirkt wie ein vorgegebener, im Wesen angelegter Optimismus.
Nach diesen ausführlichen und abwägenden Darstellungen liefert eine aktuelle Studie zum Thema „COPD und Optimismus“ erfreulich positive und eindeutige Ergebnisse.
Die Studie von Koo HK et al (2022) deutet die Forschungsdaten folgendermaßen:
Insgesamt sind Studien zur Untersuchung des Zusammenhangs zwischen Optimismus und COPD noch sehr rar.
Quellen und weiterführende Literatur
Themenverwandte Beiträge
Psychopneumologie Lexikon: C wie Coping
Psychopneumologie Lexikon: G wie Gesundheitsbezogene Lebensqualität
Psychopneumologie Lexikon: K wie Krankheitsmodelle
Beitragschronik
Erstveröffentlichung: 23.8.2022
Deine Fragen und Anmerkungen, Deine Kritik und Deine Themenwünsche sind herzlich willkommen!
Vielen Dank für Deine Nachricht.
Du erhältst so schnell wie möglich eine Antwort.
Ups, beim Senden Deiner Nachricht ist ein Fehler aufgetreten.
Bitte versuche es später noch einmal.