Chronische Lungen-Erkrankungen können sich mehr oder weniger rasch verschlimmern. Ist die Angst vor dem Fortschreiten und den dadurch bedingten Auswirkungen ein gesundes oder ein krankhaftes Phänomen?
Ernsthafte Erkrankungen (zu denen die meisten chronischen Lungen-Erkrankungen zählen) lösen Ängste aus. Als selbstverständlich empfundene Sicherheiten gehen verloren, z. B.
Viele Herausforderungen durch Therapien werden als bedrohlich erlebt.
Auch die Ungewißheit, welchen Verlauf die Krankheit auf das eigene Befinden und die Lebenswartung nehmen wird, kann ängstigen.
Diese Ängste werden bewußt wahrgenommen, sind real begründet und auch für Außenstehende nachvollziehbar. Sie sind in den meisten Fällen zudem angemessen und sinnvoll, wenn sie beispielsweise einen gesunden Lebensstil und die Therapietreue (Adhärenz) unterstützen. In gewissem Rahmen ist die Progredienzangst (Angst vor dem Fortschreiten und der Verschlimmerung) also eine gesunde Angst.
Führen Zukunftsängste bei Betroffenen jedoch zu eingeschränkter Lebensqualität, Beziehungsstörungen oder Therapieverweigerung, sollten individualisierte Unterstützungsangebote erwogen werden.
Die Fachbegriffe Progredienzangst, Rezidivangst und End-of-Life-Ängste werden häufig synonym (gleichbedeutend) benutzt.
Progredienzangst ist die Angst vor der plötzlichen oder stetigen Verschlimmerung und dem Fortschreiten der Erkrankung, sowie den damit verbundenen Auswirkungen auf Körper, Psyche, soziale Beziehungen.
Rezidivangst ist die Angst vor dem Wiederauftreten von ernsthaften Krankheitssymptomen nach einer stabilen Phase. Der Begriff wird meist im Zusammenhang mit der Rückkehr von Tumoren nach einer Phase ohne nachweisbare Krebszellen benutzt. Er beschreibt jedoch auch die Angst vor einem akuten Krankheitsschub (Exazerbation) bei COPD-Patienten oder die Angst vor einem Rückfall bei Tuberkulose.
End-of-Life-Ängste (Ängste am Lebensende) umfassen meist die Angst vor Leiden, Sterben, Tod und die damit einhergehenden körperlichen und psychischen Belastungen (u. a. vorweggenommene Trauer, Abschiednehmen).
All diese Ängste betreffen das gesamte Erleben des Patienten:
In Anlehnung an das „Total Pain Konzept“ von Cicely Saunders könnte man im Zusammenhang mit Progredienzangst von einem „Total Fear Konzept“ sprechen.
Progredienzangst läßt sich von anderen Angstformen abgrenzen und eigenständig erfassen. Dazu eignet sich beispielsweise der Progredienzangst-Fragebogen (Herschbach P et al, 2000 und 2001). Er liegt in einer Langform (PA-F mit 43 Items) und in einer Kurzform (PA-F-KF mit 12 Items) vor.
Leider ist es schwierig, eindeutig anhand eines Grenzwertes (Cut-off-Wert) festzulegen, wann eine erhöhte Progredienzangst vorliegt. Dennoch erlauben diese Fragebögen eine gute Erfassung, wodurch und wie stark ein Patient mit einer chronischen (Lungen)Erkrankung mit Progredienzangst belastet ist.
Es gibt bisher nur vereinzelte Studien zur Progredienzangst bei chronischen Lungen-Erkrankungen.
Eine Studie von Stenzel N et al (2011) untersuchte Progredienzangst und End-of-Life-Ängste bei COPD-Patienten. Sie erbrachte signifikante Zusammenhänge zwischen End-of-Life-Ängsten und Progredienzangst, Depressivität und psychischer Lebensqualität.
Für die Praxis (z. B. für das Wann? Wie? Durch Wen? von Unterstützungsangeboten) sind die Befunde dieser Studie bedeutsam.
Nach Meinung erfahrener Behandler ist Progredienzangst behandlungsbedürftig, wenn sie in Form einer „Angststimmung“ dauerhaft vorhanden ist.
Bedeutsam sind vor allem die folgenden Merkmale:
Zu spezifischen Unterstützungsangeboten bei Progredienzangst liegen bisher die folgenden grundsätzlichen Erkenntnisse vor:
Das Selbsthilfe-Angebot der LungenCouch bietet einen „Reisekoffer“ bei Progredienzangst an. Er enthält Übungen zu den Ansätzen, die bei Progredienzangst als besonders wirksam eingestuft werden.
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Quellen und weiterführende Literatur:
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