Langzeit-Sauerstofftherapie (= LTOT, englisch: long-term oxygen therapy) bedeutet die Gabe von Sauerstoff als therapeutische Maßnahme bei chronischer Hypoxämie (= Sauerstoffmangel im Blut).
Ziele der LTOT sind:
Die aktuelle Leitlinie schreibt zur Indikation:
„Die Indikation für eine LTOT liegt entweder bei einem PaO2 (arterieller Sauerstoffpartialdruck) ≤ 55mmHg vor oder aber bei einem PaO2 > 55mmHg und ≤ 60mmHg, wenn zusätzlich eine sekundäre Polyglobulie (Hämatokrit ≥ 55%) und/oder ein Cor pulmonale mit und ohne Rechtsherzinsuffizienz vorliegen. Die Indikation zur LTOT ist gegeben, wenn nach Ausschöpfen anderer adäquater Therapieformen eine chronische Hypoxämie noch immer nachweisbar ist.“
Dann folgen zwei Anmerkungen, die insbesondere aus psychopneumologischer Perspektive wichtig sind:
Die LTOT sollte über die Dauer von mindestens 15-16 Stunden pro Tag erfolgen. Dies umfaßt auch die gezielte Sauerstoffgabe bei körperlicher Belastung und während der Nacht.
Im Hinblick auf eine durchgehende Sauerstoffgabe von 24 Stunden verweist die aktuelle Leitlinie auf notwendige neue Studien:
„Aktuelle Beobachtungsstudien ergeben Hinweise darauf, dass eine Applikation der LTOT über 24 Stunden gegenüber ≥ 15 Stunden/Tag keinen Vorteil hinsichtlich Letalitäts (Sterblichkeits)- oder Hospitalisationsraten bringt… Diese Ergebnisse müssen jedoch in randomisiert-kontrollierten Studien validiert (bestätigt) werden.“
Nachgewiesene und vermutliche therapeutisch gewünschte Effekte von LTOT gibt es bei:
Sauerstoff wird im häuslichen Umfeld hauptsächlich über zwei Wege verabreicht, und zwar über:
Die Sauerstoffgabe erfolgt in der Regel über eine sogenannte Nasenbrille (einen dünnen Silikonschlauch) – entweder durch einen kontinuierlichen Fluß oder (nach individueller Testung auf Eignung) durch ein Demand-System stoßweise bei der Einatmung.
Wird die Indikation sorgfältig geprüft, sprechen viele Befunde für einen klinischen und prognostischen Nutzen der Langzeit-Sauerstofftherapie bei bestimmten Patienten mit chronischen Lungenerkrankungen.
Es gilt jedoch immer wieder zu fragen: Wie gestaltet sich das Verhältnis von Vorteilen zu psychosozialen Folgen?
Denn häufig stecken die mutmaßlichen und tatsächlichen psychosozialen Auswirkungen hinter der immer noch dürftigen Adhärenz-Rate (= Therapietreue) bei LTOT. In einer aktuellen Studie wird diese bei ca. 40% verortet.
Als Hauptursachen der Non-Adhärenz (= fehlenden Therapietreue) gelten folgende psychosoziale Faktoren:
Die erwähnten Ursachen verstärken sich teilweise untereinander in Form von Teufelskreisen: Stigma-Erfahrungen erzeugen Scham und reduziertes Selbstwertgefühl. Dies führt zu sozialer Isolation, die ihrerseits depressive Störungen verursacht oder verschlimmert. Angst vor Abhängigkeit und Autonomieverlust (z. B. durch erschwerte Mobilität) zeigen ebenfalls negative emotionale Auswirkungen.
Von einer LTOT-Verordnung sind nicht nur die Patienten selbst, sondern auch die Angehörigen betroffen.
Durch fehlende Akzeptanz, Ängste, Ärger, Frustrationen bei allen Beteiligten kann es zu einem erhöhtem Konfliktpotential und einer Belastung der Beziehungen kommen. Eine Langzeit-Sauerstofftherapie erfordert ausgeprägte partnerschaftliche Anpassungsleistungen.
Da das persönliche soziale Umfeld den Umgang mit der LTOT-Verordnung nachweislich beeinflußt, ist ein Augenmerk auf das individuelle Bewältigungsverhalten (= Coping) und das gemeinschaftliche Bewältigungsverhalten von Partnern (= Dyadisches Coping) wichtig und wegweisend.
Die Verordnung von LTOT wird von Patienten und Angehörigen häufig als einschneidend erlebt. Es erscheint naheliegend, in diesem Zusammenhang vermehrt akzeptanzfördernde Interventionen anzubieten.
Die Adhärenz bei LTOT wird wesentlich von den Einstellungen und Kompetenzen des sozialen Umfeldes beeinflußt. Deshalb sollten sowohl individuelles Coping als auch Dyadisches Coping gezielt unterstützt werden. Hierzu bieten sich beispielsweise maßgeschneiderte Problemlöse-Trainings an.
Ein solches Angebot stärkt u. a. die folgenden Grundhaltungen:
LTOT: Selbstbewusst mit Sauerstoff
Die modernen LTOT-Geräte ermöglichen Mobilität und Aktivität. Nutze diese Chance zum Training Deines Selbstwertgefühls (in Anlehnung an M. Lammers und I. Ohls).
1. Geh raus – mit einem Lächeln!
Das Lächeln kannst Du zuhause vor dem Spiegel üben. Egal, wie es Dir gerade geht: Lächle Dich etwa 30 Sekunden (oder länger) im Spiegel an und nimm dabei wahr, ob und wie sich Dein emotionales Befinden ändert.
Das Prinzip dahinter: Du kannst selbst Emotionen bei Dir auslösen, wenn Du eine veränderte Mimik einsetzt.
Und das Prinzip auf der Straße: Ein Lächeln lädt andere ein, dies spontan zu erwidern.
2. Menschen lieben es zu helfen – wenn Du sie lässt!
Grundsätzlich kümmern sich Menschen um andere, wenn sie es können.
Gelegentlich um Hilfe zu bitten, eröffnet Dir wahrscheinlich den Weg zu überraschenden Erfahrungen.
Achte aber darauf, im Kontakt mit anderen Menschen auch über die angenehmen Dinge im Leben zu sprechen.
3. Humor ist ein Weg zum Herzen – meistens!
Fast alle Menschen sind im Alltag offen dafür, auf humorvolle Weise angesprochen zu werden.
Finde also immer wieder einen Grund, um herzlich miteinander zu lachen.
4. Such keine Lösung für Probleme, die nicht Deine Probleme sind!
Gelegentlich macht Dich das Verhalten von anderen Menschen vielleicht betroffen. Sie äußern versehentlich eine ungeschickte Bemerkung oder verletzen Dich mehr oder weniger bewusst. Damit erweisen sie sich als Grenzverletzer.
Ihr Problem – nicht Deines! Du ziehst eine Grenze – das Problem liegt auf der anderen Seite.
5. Akzeptiere die anderen – und Dich selbst!
Einen guten Umgang mit sich selbst kann man einüben, z. B. anhand folgender Fragen:
Die gesellschaftliche Akzeptanz von LTOT hängt vermutlich auch davon ab, inwieweit Patienten zu einem selbstbewußten Umgang mit der Langzeit-Sauerstofftherapie ermutigt werden. Dies geschieht bereits vorbildlich durch Selbsthilfe-Gruppen (z. B die Sauerstoff- und Beatmungsliga).
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